Auf den Spuren der Römer in Duppach-Weiermühle
An einer archäologischen Ausgrabung teilzunehmen, war ein seit langem gehegter Wunsch von mir, und ein Zufall verhalf mir zu meinem Vorhaben.
Im Mai 2009 nahm ich an einer Fahrt des Archäologischen Fördervereins Duppach in den Museumspark nach Xanten teil, ein wahrhaft lohnenswertes Ziel. Jedenfalls erfuhr ich dort von einer bevorstehenden Grabung in Duppach-Weiermühle. Maria Surges, die Vorsitzende des Vereins, erklärte mir, dass es sich dabei um eine römische Villenanlage und zugehörige Nekropole handelt. Letztere brachte bereits vor einigen Jahren sensationelle Funde hervor. Diesmal sollte ein Teilbereich der Villenanlage geöffnet und ergraben werden.
Im September 2010 war es dann endlich soweit. Ich hatte mich als freiwilliger Helfer gemeldet und fieberte der Grabung entgegen. Die Felder waren bereits abgeerntet und sowohl die Eigentümer als auch die Pächter gaben ihr Einverständnis zur Durchführung der Arbeiten auf ihren Ackerflächen. Ohne diese Zustimmung wäre dies nicht möglich gewesen.
Das vollständige Archiv mit den Abbildungen zu diesem Beitrag finden Sie in unserer Galerie.
Vor der Freilegung der aktuellen Grabung wurde eine geomagnetische Prospektion zur Bestimmung der genauen Lage des Gebäudekomplexes durchgeführt. Das bedeutet, dass durch die Anwendung der Geomagnetik erdmagnetische Anomalien von unterirdischen Strukturen festgestellt werden konnten. Erst danach wurde mit zunächst schwerem Gerät die obere Erdschicht bis zum Level des Mauerwerks abgetragen und zu einem großen Hügel angehäuft, der später auch als Aussichtsplattform diente. Denn aus der Höhe lassen sich viele Details, wie z.B. farbliche Unterschiede der jeweilig freigelegten Flächen, in ihren Ausmaßen innerhalb eines Raumes wesentlich deutlicher erkennen. Etwa ein festgestampfter rötlicher Lehmboden oder ein Estrich, in dem sich mehrere schwarz eingefärbte Pfostenlöcher befinden, sowie tiefschwarze Feuerstellen mit Kohleresten, sogenannte Brandschichten oder kleinere Abfallgruben durch humose Bestandteile. Hier geben auch die Luftbildaufnahmen der Luftbildarchäologie einen noch besseren Überblick über die Bodenstrukturen und sind daher von großer Bedeutung. Dr. Christian Credner machte sporadisch mithilfe eines Fotodrachens Luftbildaufnahmen von der Grabungsstelle und stellte diese dankenswerter Weise zur Verfügung. Faszinierend, was damit alles sichtbar gemacht werden kann.
Aber zurück zu meinem allerersten Tag. Gut gerüstet in meiner Arbeitskleidung mit festem Schuhwerk, Knieschonern, warmer Jacke und etwas Verpflegung fuhr ich in spannender Erwartung zur Grabungsstelle. Ich wurde von allen herzlich begrüßt und bekam meine ersten Anweisungen vom Grabungsleiter, Dr. Peter Henrich. Das internationale Archäologenteam war bereits seit einigen Tagen vor Ort und hatte entsprechende Vorarbeit geleistet. Außer mir waren noch andere freiwillige Helfer dort. Während der gesamten Grabungszeit stellten sich Helfer zur Verfügung im Rahmen ihrer zeitlichen Möglichkeiten. Auch der „harte Kern” war wieder dabei, also diejenigen Freiwilligen, die schon seit Jahren teilnehmen und die ganz wesentlich zum Erfolg einer Grabung beitragen. Denn ohne sie wäre in so kurzer Zeit nicht diese Masse an Erde zu bewegen. Erwähnenswert sind auch die zahlreichen Sponsoren, ohne die eine Grabung in dieser Form nicht möglich wäre.
Mit Kelle, Handfeger und Pinsel bewaffnet legte ich los und kratzte erst einmal einige Zentimeter Erdschicht ab, wobei ich ein mir zugeteiltes Areal allmählich abtrug und mich dabei langsam rückwärts bewegte, um die bearbeitete Fläche nicht erneut betreten zu müssen. Das war bei „Strafe” (in Form eines kleinen Obolus) verboten. Jeder hatte seinen Teilbereich und Hand in Hand legten die Teamkollegen und ich das sogenannte Planum, eine völlig ebene Fläche, an. (Abb.01). Die obere Erdschicht war nun gleichmäßig auf einem Level abgetragen sowie der obere Teil der Mauer freigelegt. Erste Erdverfärbungen wurden nun sichtbar und Aufnahmen davon gemacht. Danach wurde mehrmals auf die gleiche Weise eine Erdschicht abgetragen und die Mauer, die aus Bruchsteinen säuberlich aufeinander geschichtet war, an der Innenseite vorsichtig freigelegt. In den Mauerfugen war kaum Mörtel vorhanden. Dieser hatte sich wohl durch den sauren Boden aufgelöst. Jede Veränderung wurde zur Sicherung fotografisch dokumentiert.
Die ersten Funde, die wir machten, waren gebrannte Dachziegel, die zerbrochen in Mauernähe lagen. Ebenso fanden sich etliche Eisennägel, die als solche kaum mehr erkennbar waren (Abb.16). Sie wurden von dicken rötlich verfärbten Verkrustungen überzogen. In den Folgewochen kamen noch viele solcher Nägel zutage. Nur wenige zeigten noch ihre ursprüngliche Form. Gleich an meinem ersten Tag fand ich zwischen Erdkrümeln zwei kleine schneeweiße Klümpchen. Sie fielen mir gleich auf und siehe da, es waren kleinste Bleireste. Das gab mir sogleich Antrieb, die Augen weiterhin offen zu halten. Die losgekratzte Erde wurde nach genauem Durchsehen in Baueimern auf die Schubkarren verfrachtet. Waren diese voll, wurden sie an dem bereits entstandenen Erdhügel ausgeleert. Auch dann wurde noch einmal über den Aushub geschaut. Die Mittagspause verbrachten wir wie jeden Tag am Bauwagen, den eine Baufirma unentgeltlich bereitstellte (Abb.02). Jeder suchte sich ein windgeschütztes Fleckchen oder einen Sonnenplatz. Nur ein paar Mal hatte uns das schlechte Wetter zum Essen in den Bauwagen gezwungen, in dem wir außerdem abends die Grabungswerkzeuge, die Eimer, Schubkarren und Sitzgelegenheiten verstauten. Über die warmen Mahlzeiten, die der Verein organisiert hatte, waren wir froh, denn die Temperaturen waren schon etwas frisch zu dieser Jahreszeit und die Arbeit machte ebenfalls hungrig. Es war ebenfalls eine Bautoilette in gebührendem Abstand aufgestellt, so war für alles gesorgt. Gestärkt und etwas ausgeruht ging es wieder an die Arbeit. Am frühen Abend meines ersten Tages konnte ich schon Einiges von diesem Gebäude erkennen, das aus drei großen Räumen in T-Form bestand. Die Mauerzüge waren unterschiedlich stark, es gab also dünnere und dickere Mauern. Später sollte sich herausstellen, dass das Gebäude im Laufe von ein bis zwei Jahrhunderten mehrfach umgebaut, z. B. ein Raum hinzugefügt worden war und wohl auch unterschiedlichen Zwecken diente. Nachdem wir die Werkzeuge gereinigt und weggeräumt hatten, machte ich mich auf den Heimweg. Die Archäologen jedoch sichteten und sortierten noch die Fundstücke und transportierten diese in ein sicheres Depot, in dem sie bis zur weiteren Auswertung aufbewahrt wurden. Eine Notwendigkeit ,die sich jeden Abend wiederholte, erst danach hatten auch sie Feierabend.
Am nächsten Tag, wie auch an allen weiteren Tagen, fuhr ich wieder voller Spannung zur Grabungsstelle. Was würde sich wohl heute finden? Auf jeden Fall Dinge, die schon seit ca. 1.800 Jahren unentdeckt im Erdreich liegen und Aufschluss über das Leben und die Menschen die dort lebten, arbeiteten und begraben sind, geben. Inzwischen konnte man nur noch mittels einer Holzbohle über die mit Vlies geschützte Mauer in das Innere des Gebäudes gelangen (Abb.03). Der Höhenunterschied von der Mauerkante zum Planum betrug mittlerweile 30 cm, später 50 cm und mehr. Teilweise wurde die Erde bis zum Mauerfundament abgetragen, entlang gespannter Schnüre gegraben, um das Profil sehen zu können und um dieses sowie das Mauerprofil mittels Foto und Zeichnung zu dokumentieren (Abb.04).
An den Stellen, die dunklere Verfärbungen aufwiesen, wie sie z. B. bei Pfostenlöchern auftreten oder die die Spuren einer Feuerstelle zeigen, wurde das jeweilige Loch markiert, nummeriert und ein Querschnitt in voller Tiefe ausgegraben und das Profil im Foto festgehalten (Abb.05, Abb.06, Abb.07). Der Aushub wurde zur späteren Auswertung in einem großen Behältnis gesammelt. Je nach Tiefe und Größe des Loches konnte ein Mensch kopfüber oder sogar ganz darin verschwinden. Jedenfalls war man dort zumindest mit dem oberen Teil des Körpers vor Wind geschützt. Der Wind ist bei Grabungsarbeiten nicht zu unterschätzen, weht er einem bei trockener Witterung doch ständig den Staub in jede Öffnung des Körpers, die auch nur etwas aus der Kleidung ragt. Aber auch die Grabung wird dadurch beeinträchtigt. Etwas Bodenfeuchtigkeit ergibt ein wesentlich deutlicheres Bild der Schattierungen, die auf dem Planum zu sehen sind. Drum ist es wichtig, möglichst keine trockenen Erdkrümel auf der bearbeiteten Fläche zu hinterlassen. Ebenso ist die Richtung, in der man in der Senkrechten die Erde abkratzt, unbedingt zu beachten, da ansonsten die Erdverfärbungen verwischt werden.
Bereits bei der Prospektion des Geländes wurde eine weitere Anomalie im Boden unweit des Gebäudes festgestellt. Erste Grabungen ergaben, dass es sich um einen Töpferofen handelte, der auf natürlich gewachsenem Fels in fast einem Meter Tiefe angelegt worden war (Abb.08). Auch dieser wurde mittels eines Querschnittes ergraben. Der Belüftungs-bzw. Heizungsschacht der Befeuerungsanlage hinab zur Brennkammer, in der sich ehemals die Tenne befand, auf der das Tongut stand, war sehr gut zu erkennen. Sogenannte Wölbtöpfe, die ineinander gesteckt die Kuppel des Ofens trugen, füllten das Erdreich (Abb.09). Etliche waren zerbrochen, aber einige konnten dennoch intakt geborgen werden.Viele Tonscherben wurden zutage gefördert. Anscheinend von einem misslungenen Brand, da noch so viele Teile von Gefäßen und Krügen vorhanden waren. Gleich an meinem zweiten Tag durfte ich in den Ofen hinabsteigen und dort weiter graben. Ich war so stolz, dass ich dort hinein durfte und dankbar, dass mir soviel Vertrauen entgegengebracht wurde. Der Platz zum Arbeiten war beschränkt und leider fehlte die Zeit, den gesamten Ofen zu öffnen. Mit äußerster Vorsicht legte ich den Rand eines großen Gefässes frei und hatte Mühe, dieses aus dem festgedrückten lehmigen Untergrund zu lösen. Meine Angst war groß, ich könnte bei der Freilegung ein Stück davon abbrechen. Schließlich konnte ich das große Scherbenstück aus cremefarbenem Ton bergen. An dem nach aussen gewölbten Rand schloss sich die bauchige Form einer Amphore an, auf deren oberem Teil ein rundlicher Griff angebracht war (Abb.10). An der Größe ihrer Öffnung ließ sich erahnen, wie riesig sie einmal gewesen sein musste. Das nächste, was ich sah, waren einige Wölbtöpfe, so wie sie einst ineinander gestapelt worden waren. Auch diese konnte ich nach mühevoller Feinarbeit heben, ohne dass die Töpfe Schaden nahmen (Abb.11). Mein Glücksgefühl war groß, als ich sie heil in den Händen hielt und dieser Tag war für mich mit Erfolg gekrönt. Nachdem der Ofen geleert worden war, wurde er fotografiert und von einer Archäologin im Profil gezeichnet und dokumentiert (Abb.12). Es sollten noch weitere erfolgreiche und vielversprechende Tage folgen, die auch von der regionalen Presse verfolgt und wiedergegeben wurden.
Im Gebäude selbst hatten inzwischen Archäologen und freiwillige Helfer in den einzelnen Räumen in unterschiedlichen Tiefen gegraben und zum Teil meterhohe Gruben ausgehoben (Abb.13). In einer dieser Gruben wurde ein zweiter festgestampfter Fußboden, tiefer liegend als der erste, entdeckt. Dort kamen auch einige runde Hypokausten (Abb.14) zum Vorschein, dicke Ziegelplatten, die übereinandergestapelt die Beheizung des Fußbodens ermöglichten. Sie trugen den Fußboden und bildeten dadurch den Hohlraum für die durchströmende Heißluft. In diesem Raum wurde ebenfalls ein Wandziegel entdeckt, der mit Rillen in Rautenform versehen war. Die Rillen dienten zur besseren Haftung des aufgetragenen Putzes. Eben dieser Raum wies einen Ofen bzw. eine Herdstelle auf, die von zwei Altarsteinen eingerahmt war, die hier nicht mehr ihrer eigentlichen früheren Bestimmung dienten. Ein Indiz dafür, dass spätere Bewohner hier Einzug gehalten hatten, denen die Altarsteine nicht wichtig zu sein schienen. Einer dieser Altarsteine hatte eine Vertiefung im Kopfteil, eine Mulde, in der früher kleine Opfergaben dargebracht wurden. Eine große Steinplatte im Boden zwischen den beiden Altarsäulen vervollständigte das Bild und lies die Vermutung zu, dass es sich um eine Herdstelle und somit in diesem Teil des Hauses um die Küche oder einen Wohnraum handelte (Abb.15).
In der ersten Woche fand eine der Archäologinnen in dem gegenüberliegenden Raum, der von Westen gesehen den linken Teil der T-Form bildete, ein sehr großes Stück Blei. Es war dünn ausgearbeitet, jedoch mehrfach gefaltet und von einem halben Meter Länge. Da es sich in der Nähe der Mauer befand, könnte es sich evtl. um den Teil eines Fensters handeln, die zu römischer Zeit in Holz und Blei gearbeitet waren. Durch verschiedene Einsatzgebiete lernte ich Einiges dazu und nahm die Möglichkeit wahr, den Experten über die Schulter zu schauen. So wurde ich einmal für die Messungen abgestellt, wofür man ein ruhiges Händchen braucht. War eine Grabung bis zum gewünschten Punkt erreicht, wurde die Fläche eingeteilt, numeriert und vermessen. Hierzu musste ich an markanten Punkten den Messstab genau in der Waage halten, sodann wurden die Koordinaten festgehalten und dienten somit der exakten Vermessung der Grabungsfläche. Hatte ich den Messstab endlich in der Senkrechten, hielt ich des Öfteren die Luft an, um die Position bis zur Aufnahme zu halten. Sogar hier kämpfte ich gegen den Wind, der hin und wieder an dem Stab zerrte.
Noch gar nicht erwähnt habe ich die Fragmente von Reibschalen und Unmengen an Schlacke, die gleich zu Beginn gefunden wurden. Erstere haben an der Innenseite eine raue Reibefläche, die durch Beimischung von feinen Quarzteilchen erzielt wurde. Reibschalen wurden zum Zerreiben und Mischen von Käse, Kräutern und Gewürzen sowie zum Anrühren verschiedener Würzsaucen benutzt. Der mittlere und größte Raum zeigte großflächige schwarze Bodenverfärbungen. Schlacketeile unterschiedlicher Größe (Abb.16) fanden sich überwiegend in der Raummitte der oberen Hälfte des T-förmigen Gebäudes. Die Schlacke ist ein Abfallprodukt, das bei der Eisenverarbeitung anfällt. Teils gab es besonders schöne Stücke, an denen das im Fluss begriffene geschmolzene Metall erkaltet und sehr gut erkennbar war. Starkeisenhaltig und von schöner Farbe, die von Blau über Rostrot bis Violett, Schwarz und Brauntöne variierte, verriet schon das Gewicht den Metallgehalt der einzelnen Brocken. Lufteinschlüsse machten an Bruchstellen die Farben erst sichtbar und ein glasartiger Glanz überzog häufig die Oberfläche. Zahllose feinste Metallpartikel, der sogenannte Hammerschlag, waren beim Schlag mit dem Hammer auf den Amboss ins Erdreich gelangt. Etliche Bodenproben mit Hammerschlag wurden genommen, die erst später durch Auswaschung untersucht werden sollten. Aber es stand bereits jetzt fest, dass wir uns in einer Schmiede befanden. Des abends, wenn es drohte zu regnen, musste die gesamte Grabungsstelle mit mehreren großen Planen abgedeckt werden. Ein Vorgang, der sehr zeitraubend war, da die Abdeckung mit Steinen beschwert werden musste, um ein Davonwehen zu verhindern. Noch mühseliger aber war das Aufdecken am folgenden Morgen, wenn es geregnet hatte. Zum Teil hatten sich große Wasserlachen gebildet, deren Gewicht es ziemlich erschwerte, die Plane zu entfernen, ohne das Wasser in die Grabungsfläche fliessen zu lassen. Mehrere Male nach Entfernen der Plane entdeckten wir ein kleines Nest aus Stroh, das eine Feldmaus dort gebaut hatte (Abb.7). Ein trockenes und warmes Plätzchen hatte sie sich ausgesucht. Obwohl wir das Nest mehr als einmal entfernten, baute sie es nachts an der selben Stelle immer wieder neu auf.
In der zweiten Wochenhälfte fand die Buchpräsentation des Grabungsleiters Dr. Peter Henrich im Rathaus in Gerolstein statt. Der Verbandsbürgermeister, der Landrat sowie Vertreter des Rheinischen Landesmuseums Trier und viele andere geladene Gäste folgten aufmerksam den Ausführungen des Grabungsleiters zu seinem Buch „Die römische Nekropole und die Villenanlage von Duppach-Weiermühle, Vulkaneifel” (Abb.17). Dieses behandelt die bereits erfolgten Ausgrabungen und deren Auswertung. Es liegt die Vermutung nahe, dass es sich bei der Villenanlage und der zugehörigen Nekropole um den Besitz eines Decurio handelte, der dem Stadtrat von Trier angehörte. Die Fundamente der Grabdenkmäler hatten solch große Ausmaße, dass sich daraus auf eine enorme Höhe derselben schliessen lässt, ähnlich der Igeler Säule mit über 20 Metern. Dies setzte ein gewisses Vermögen sowie ein hohes Jahreseinkommen voraus, wie es dem eines Decurio entsprach.
Am nächsten Tag folgte unser Grabungsleiter einer Einladung, das Grabungsareal aus der Luft zu betrachten. Er nahm die seltene Gelegenheit wahr zu einem Erkundungsflug in einem Leichtflugzeug. Das Ganze sah sehr waghalsig aus, befanden sich die Insassen doch nur auf einem Sitz, der lediglich von einem Rahmen umgeben war. Uns brachte es jede Menge Spass, wie schnell der kleine Leichtflieger über uns hinweg flog (Abb.18). Er schien gleich einer emsigen Biene mit Turboantrieb zu sein.
Der Tag des offenen Denkmals fiel auf das zweite Wochenende der Grabung. Alle notwendigen Vorbereitungen wurden getroffen, um den Besuchern einen interessanten Tag mit vielen Informationen zur Grabung zu bieten. Pavillons wurden aufgestellt, in denen Anschauungsmaterial in Form von Tonscherben, Münzen und Informationsbroschüren ausgelegt wurden. Die Archäologen erklärten die Zusammenhänge der Fundstücke und standen für die Beantwortung aller Fragen zur Verfügung. Führungen zu den abgesperrten Grabungsflächen wurden angeboten (Abb.19). Der Andrang war so groß, dass die Gruppen den ganzen Tag über von den Archäologen abwechselnd zur Schmiede und dem Töpferofen geführt wurden. Der große Erdhügel diente als Aussichtsplattform und bot eine zusätzliche Möglichkeit, einen großzügigen Überblick über das gesamte Areal zu erhalten.Von dort aus war auch die römische Strasse, die damals auf dem Gelände angelegt worden war, sehr gut zu erkennen. Sie war nur im Ansatz etwas freigelegt worden. Hierbei sei auch erwähnt, dass die Villenanlage von der Römerstrasse, welche von Trier nach Köln auf der Höhe am Rande des Trockenmaares entlangführte, von den Reisenden und den römischen Truppen von Weitem sichtbar gewesen sein muss. Gerade die monumentalen Grabdenkmäler waren weithin zu sehen und zeigte den in der Ferne Vorbeiziehenden, dass dort ein wohlhabender Römer mit hohem Ansehen lebte, der einen gewissen Status innehatte.
Ergänzt wurden die Führungen durch reichlich vorhandenes Bildmaterial sowie ein Duplikat einer alten römischen Straßenkarte, der Tabula Peutingeriana. Sie stellte das römische Straßennetz im spätrömischen Reich dar und bildete sämtliche Staatsstrassen mit ihren Knotenpunkten ab. Im Original beträgt die Länge dieser Karte ca. 675 cm. Ein Duplikat ist sowohl im Museumspark Xanten als auch im Rheinischen LandesmuseumTrier zu sehen. Kinder hatten die Möglichkeit, kleine Gipsstatuen zu gießen oder römische Spiele zu spielen. Einem Schmied konnte bei seiner Arbeit zugeschaut werden, und das machte deutlich, wieviel Kraft und Schweiß nötig waren, metallene Gegenstände herzustellen. Anhand antiker Arztbestecke und Arzneimittel erklärte ein Medicus, wie diese in der Antike eingesetzt wurden. Man konnte Salben und Öle erwerben. Der Archäologische Förderverein hatte auch für das Essen gesorgt und bot römische Würstchen, römische Brötchen und sogar römische Waffeln an. Dazu gab es Getränke und auf dem Schwenkgrill brutzelte das Fleisch. Ein wirklich gelungener Tag neigte sich dem Ende. Das Wetter spielte mit, die Sonne schien und erst am Abend gegen Ende der Veranstaltung gab es einen Regenschauer.
Die dritte und letzte Woche stand bevor. Ein Fernsehteam hatte sich angekündigt und drehte einen Nachrichtenbeitrag über die Grabung. An diesem Tag hatten wir ebenfalls viele kleine Besucher einer Schule vor Ort, die sich auch gleich auf Schatzsuche im Erdhaufen des nahegelegenen Aushubs machten. Die Arbeiten am Töpferofen waren soweit beendet, dass dieser schon mit Erde aufgefüllt und geschlossen werden konnte. Die Bodenfläche im Gebäude und der Aushub wurden mit einem Metalldetektor abgeschritten. Dies wurde während der gesamten Grabungszeit sporadisch wiederholt. Der Detektor schlug mehrmals an, und es fand sich neben Eisennägeln auch eine Münze, von der nur noch die äußere Hülle existierte. Eine Drainage aus Tonrohren, allerdings aus neuerer Zeit, durchzog in einiger Tiefe den Boden der Grabung (Abb.20). Um sie nicht zu beschädigen, deckten wir sie nach der teilweisen Freilegung wieder mit Erde ab. In dieser leichten Senke schien sich doch einiges an Wasser zu sammeln. Die Türschwellen, von denen einige vorhanden waren, wiesen Nutzungsspuren auf. Die großen Steine, aus denen sie beschaffen waren, hatten deutliche Vertiefungen und Dellen. Vor einer dieser Türschwellen fand ich ein ca. 15 bis 20cm langes vierkantiges Eisenstück, dessen Seiten etwa 1,5 bis 2,5 cm breit waren (Abb.21). Dabei kam auch noch ein Teil einer schwarz glasierten Feinkeramik mit kleinem gestrichelten Muster (sog. Rollrädchendekor) zutage (Abb.21). Der Rest einer kleinen Schale, von der nur noch der Fuss und die bruchstückhafte Wandung übrig war.
Außerdem konnte ich den runden Boden eines hauchdünnen grünlich schimmernden Glases bergen (Abb.22). Das Glas war so fest im Erdreich „eingebacken”, dass ich mit größter Vorsicht daran ging, den Stuckspachtel einzusetzen. Der Türschwelle gegenüberliegend befand sich ein schwerer Steinblock im Boden. Die Archäologen entschlossen sich, diesen zu heben (Abb.4). Darunter befand sich ein weiterer Stein. Wie sich herausstellte, handelte es sich um einen römischen Grabstein aus Basalt (Abb.23). Dieser war wohl zweckentfremdet dort verbaut worden. Die schweren Steinblöcke wurden zur sicheren Verwahrung abtransportiert. Landwirt Hermann Schmitz half bei der Bergung der Steinblöcke mit schwerem Gerät, ohne das diese Bergungsaktionen gar nicht möglich gewesen wären. Auch mit Kaffee und Kuchen sorgten Familie Schmitz, Familie Surges und Familie Köchner für unser leibliches Wohl, was uns nach der anstrengenden Arbeit immer willkommen war.
In der Nähe des Grabsteines fand ich bei weiteren Grabungsarbeiten noch eine Tonscherbe in Form eines kleinen Dreiecks, auf dem sich ein erhabenes Reliefmuster befand (Abb.24). Deutlich war eine den Arm hebende Person zu erkennen, mit unterschiedlichen Ornamenten umgeben. Um solch ein erhabenes Muster herzustellen, wurden in einer Formschüssel Ornamente und Figuren als Vertiefungen eingedrückt. Die in diesen Formen gegossenen Schüsseln zeigten dann die vertieften Muster als erhabene Verzierung an.
Kurz vor Beendigung der Grabungsarbeiten sollte noch ein besonderer Fund gemacht werden, der den Höhepunkt dieser letzten Woche darstellte. Im größten Raum des Hauses an der Außenwand lehnend, in ungefähr 70 cm Tiefe ab Maueroberkante, befand sich ein sehr großes Eisenstück, dessen Länge mehr als 60 cm betrug. Hierbei handelte es sich um das Teilstück eines Pfluges (Abb.25).
Während der gesamten Grabungszeit wurden immer wieder Grabungsprofile vor Ort gezeichnet oder als Fotografie festgehalten und dokumentiert. Auch das ist eine notwendige und sehr wichtige Aufgabe zur Sicherung der Daten. Als Abschluss wurde zu einem Römischen Abend in das Vulkanhotel Steffelberg eingeladen. Verbunden mit einer Buchvorstellung des historischen Romans von Michael Kuhn war das ein besonderer Abend. Es gab römische Speisen und Getränke die, dem heutigen Geschmack etwas angepasst, vorzüglich schmeckten. Der Koch hatte ein vortreffliches Menü kreiert.
Der letzte Arbeitstag bestand darin, die gesamte Grabungsfläche mit einem Bauvlies abzudecken, sodass alles wieder mit Erde verfüllt werden konnte. Zum einen werden so die Fundamente geschützt und die Landwirte können ihre Ackerflächen wieder bewirtschaften. Durch das Vlies hat man die Möglichkeit, bei einer erneuten Freilegung wieder am letzten Stand der Grabung weiterzumachen. Nachdem das Vlies mit Steinen beschwert worden war, verabschiedete ich mich von allen in der Hoffnung auf ein Wiedersehen bei einer der nächsten Grabungen. Ich nahm auch Abschied von der Grabungsfläche, die für ein paar Wochen zu meinem Arbeitsplatz geworden war und von der ab dem nächsten Tag nichts weiter zu sehen sein würde als ein Stück Acker. Das so mühsam freigelegte Areal mit den Überresten der antiken Kultur sollte einfach so wieder im Untergrund verschwinden. Das Vlies kam mir wie ein Leichentuch vor und ich wollte nicht dabei zusehen, wie alleszugeschüttet wurde. Tags drauf sollte also der Bagger anrücken um die Erde darüber zu verteilen. Ich ersparte mir den Anblick. Nun müssen die Unmengen an Scherben und Bodenproben gewaschen werden, was aber wohl erst in der warmen Jahreszeit erfolgen kann. Für die Archäologen gilt es schließlich, die Funde und Daten auszuwerten und schriftlich festzuhalten. Es wird eine ganze Zeit dauern, bis diese Grabung endgültig abgeschlossen sein wird.
Rückblickend bleibt mir nur noch zu sagen, dass die Arbeit anstrengend ist, auch wenn man den ganzen Tag überwiegend kniend oder hockend mit einer Kelle „nur” die Erde wegzukratzen hat. Schmutz, Wind und Wetter tun ein Übriges, um einem die Arbeit zu erschweren. Aber jeder noch so kleine Fund entschädigt für die Mühe. Weitaus größere Anstrengungen leisten die Teamkollegen, die mit Spitzhacke, Schaufel und Schubkarre große Mengen Erde bewegen und diese selbstverständlich ebenso nach Spuren durchsuchen. Das ist Schwerstarbeit, der Respekt zu zollen ist. Trotz der körperlichen Anstrengung und dem zügigen Arbeiten, um möglichst große Areale freizulegen, war die Mannschaft immer gut gelaunt. Wir haben bei aller Ernsthaftigkeit auch viel gelacht, was ebenso zu der guten Stimmung und der Harmonie im Team (Abb.26) beigetragen hat.
Ich habe viele nette und phantastische Leute kennengelernt, die die gleiche Leidenschaft mit mir teilen und sich mit viel Engagement und Herzblut für die Sache einsetzen. Den Menschen danke ich, die mir die Möglichkeit gegeben haben, an dieser großartigen Arbeit teilzuhaben und so viele einzigartige Erfahrungen sammeln zu können. Dieses Zeugnis der Antike, wenn auch nur noch Mauerreste übrig waren, hat uns auch mit dem was wir darin gefunden haben soviel Informationen hinterlassen, dass wir zumindest etwas mehr Erkenntnis haben in dem Puzzle, das nach und nach ein Bild ergibt.
Es bleiben noch viele Fragen offen und Rätsel zu lösen. Auch in Zukunft wäre es schön, Unterstützung in jeder Form zu erfahren und dazu beizutragen, unserer Geschichte näher zu kommen. Den kommenden Generationen dieses zu erhalten und nahe zu bringen, wie entscheidend die einzelnen Epochen zur unserer heutigen Entwicklung beigetragen haben. Diesen Bezug herzustellen und aus der Geschichte zu lernen ist ein lohnenswertes Ziel, wie ich finde. Ich freue mich schon jetzt auf das nächste Projekt.