Bedeutende römische Funde bei Ausgrabungen in Duppach
14 Schüler des St. Matthias-Gymnasiums in Gerolstein als archäologische Grabungshelfer live dabei
Gerade war mal wieder so eine Situation. Die Atmosphäre um die Duppacher Ausgrabungsstelle im Ortsteil Weiermühle im Spätherbst war schier elektrisch geladen.
Grabungshelfer Werner Weber nickte Grabungsleiter Henrich zu, der sich mit einigen Helfern an anderer Stelle der Fundstätte befand. Vorsichtig hatten Weber und die Schülerin Anne Ewertz in einer armtiefen Grube Erdschichten über vermuteten Fundstücken, die sich bald abzeichneten, abgetragen. Sogleich kam Peter Henrich herüber. Der Doktorand am Archäologischen Institut der Universität Köln hatte seine Schutzhandschuhe ausgezogen und sich auf dem Bauche liegend über die Grube gebeugt. Die als Opfergrube identifizierte Schürfstelle versprach, wie die Kontruren der nun sichtbaren Keramiken verrieten, einiges. Manchmal häuften sich am Tage die Fundstücke, manchmal war die Tagessausbeute der acht Wochen dauernden Grabungskmpagne eher mager. Doch das war für die Schüler vom Gerolsteiner St. Matthias-Gymnasium nicht das wichtigste. Sie hatten sich auf einen Aushang am schwarzen Schulbrett gemeldet, um hautnah bei den Grabungsarbeiten im Gerolsteiner Umland dabei zu sein. Geschichte hautnah erfahren, Fundstücke aus römischer Zeit entdecken, einfach mit dabei sein.
Begleitet von ihrem Geschichtslehrer Hans-Udo Meyer waren sie, so es der Schulablauf erlaubte, drei Wochen im Einsatz. Schülerin Linda Scharnowski aus Büscheich hatte besonderes Interesse, einmal zu sehen, wie ausgebildete Archäologen bei ihren Entdeckungsgrabungen vorgehen. Schüler Wolfgang Rieder aus Gerolstein fühlte sich gleich an den deutschen Archäologen Heinrich Schliemann erinnert, der im 19. Jahrhundert Troja und Mykene entdeckte: „Ich meldete mich sofort. Mein Job an der Ausgrabungsstätte waren Säubern, Archivieren und Beschriften der Fundstücke. Anschließend wurden die Funde verpackt, zur Auswertung.″ Vierzig Arbeitsstunden war er dabei. Schüler Simon Thijs aus Kopp, Geschichte als Leistungskurs: „Die Zeit als ehrenamtlicher Gräber war aufregend.″ Er entdeckte eigenhändig einen sehr schönen Stein mit floralem Muster und wird sich für die weiteren archäologischen Hilfsarbeiten im Sommer wieder bereit halten.
Als die Gymnasiasten ihre Erfahrungsarbeit im Fach Geschichte live begannen, waren in Duppach bereits aufsehenerregende Funde gemacht worden. Der Grabbezirk gehörte zu einer römischen Gutsanlage, die ein Herrenhaus, ein Badehaus und verschiedene andere Gebäude umfasste. Viele der reichen Fundstücke des aufgefundenen Reliefschmucks erinnern an das Pfeilergrabmal der Igeler Säule. In Igel, einem Moselort bei Trier, steht das vollständig erhaltene römische Grabmal als einziges seiner Art noch am Originalstandplatz, während im Trierer Landesmuseum eine 1:1 Kopie dieses Grabmals zu sehen ist. Immerhin ist die Monumentalsäule 23 Meter hoch.
„Für Duppach würde es Sinn machen, ein römisches Museum mit den Fundstücken aufzubauen - sozusagen zur Heimatgeschichte einer Region gehörig und als touristische Attraktion″, überlegt Geschichtslehrer Meyer. „Das ist eine gute Idee″, finden auch die an der Ausgrabung beteiligten Gerolsteiner Schüler.
Mit Kunsterzieher Helmut Blinn erstellten die Schüler am Computer außerhalb des Unterrichts eine Fotomontage, auf der sie ein Abbild der Igeler Säule in die Duppacher Landschaft stellten. Gefunden wurden in Duppach zahlreiche Fragmente von Ornamenten, Tier- und Fabelwesen, Menschendarstellungen sowie Götterfiguren als Votivbeigaben, einige Bruchstücke von Inschriften. Als sensationell bezeichnet Peter Henrich den Fund zweier fast vollständig erhaltener Greifenköpfe aus Sandstein.
Auch an anderen Orten sind solche Fabelwesen als Grabwächter gefunden worden, zum Beispiel an der vorderasiatischen Ausgrabungsstelle in Menrud Dagh. Die Duppacher Funde übertrafen jedoch die Erwartungen aller Fachleute, einschließlich des Rheinischen Landesmuseums in Trier als Auftraggeber der sogenannten Notgrabung. „Notgrabung″ deshalb, weil die Stelle als bisher bewirtschafteter Acker stark von Erosion bedroht ist. Deswegen geht die zweite Auflage der Ausgrabung auch im Sommer weiter. Der Trierer Museumsdirektor Hans-Peter Kunen bezeichnete Duppach als eine „nicht alltägliche Fundstelle". Dabei ist die römische Grabungsstelle bereits seit 1920 bekannt. Schon öfter hatte der Duppacher Bauer beim Umpflügen des Feldes Tonscherben und bearbeitete Steinstücke gefunden. Er machte einen Dorflehrer und Hobbyarchäologen darauf aufmerksam. Der grub und förderte bald einen riesigen Löwenkopf ans Tageslicht und auch eine Steinplastik, bei der ein Löwe einen Eber schlägt. Doch dem Eber fehlte die Schnauze - abgebrochen. Die Fundstükce nahm Trier in sein Landesmuseum auf. Achtzig Jahre vergingen, die römische Fundstelle wurde „vergessen″. Als Peter Henrich die Ausgrabungen im Jahre 2002 wieder aufnahm, geschah ein seltener Glücksfall, geradezu ein Jahrhundertfund.
Gymnasiast Gregor Witzel entdeckte bei seinen Grabungen einen rundlichen, aber bearbeiteten Stein, der zwei lochförmige Einkerbungen aufwies. Nix besonderes, schien es zuerst. Doch Grabungsleiter Henrich sicherte sich diese Stück sofort. Er hatte, da er die Ur-Fundstücke in Trier kannte, einen Verdacht. Bei der „Anprobe″ in Trier stellte er fest: Helfer Gregor hatte die vermisste Wildschweinschnauze gefunden, die damals fehlte. Nun ist der Kopf des Ebers wieder komplett. Ein schöner Lohn für Gregor und die Schule.
Der Abschluss der ersten Grabungskampagne bleibt in der Schule auch nicht ohne Folgen. Die Arbeitsgemeinschaft „Experimentelle Archäologie″ gründete sich mit Duppach als praktischen Zentralpunkt. Zwei Schülerinnen des Chemie-Leistungskurses 12 führen ein Projekt durch zur Untersuchung römischer Schlacke vom Ausgrabungsort.
Die Duppacher Grabung wurde maßgeblich unterstützt durch die Thyssen-Stiftung, die Van Meeteren-Stiftung, durch die VG Gerolstein und das Rheinische Landesmuseum Trier. Eifeler Firmen beteiligten sich logistisch und fiannziell an der Grabungsaktion. Kostenlos stellte die Firma Michels aus Oberbettingen einen Bagger samt Fahrer bereit. An der Verköstigung des Archäologie-Teams beteiligten sich die Landbäckerei Roden, die Getränkekiste Gerolstein und die Fleischerei Peter Müller aus Müllenborn. Schließlich hatten sich die Gymnasiasten diese Unterstüztung ja durch harte Arbeit verdienst. Auch ein Zertifikat erhielten sie für ihren aufregenden Einsatz in Duppach. Die meisten wollen im Sommer wieder mit dabei sein.